AI Literacy – Neue Kompetenzanforderungen durch und für den Einsatz von KI im Arbeitsalltag von KMU
Autorin: Dr. Viola Hellge
In einer Zeit, in der KI entscheidend für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit ist, wird das Verständnis und die Anwendung von KI-Technologien immer wichtiger. KI-Kompetenzen und Kompetenzen im Umgang mit sog.“ Big Data“, also großen Datenmengen und Datenanalyse, werden u.a. im Future Jobs Report 2025 als die Kompetenzen hervorgehoben, die in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich am stärksten nachgefragt werden. (World Economic Forum 2025)
“AI Literacy” umfasst die notwendigen Kenntnisse, Methoden und Infrastrukturen, um KI erfolgreich einzuführen und zu nutzen. KMU können durch gezielten KI-Einsatz ihre Effizienz steigern, bessere Entscheidungen treffen und innovative Produkte oder Dienstleistungen entwickeln. KI ermöglicht es ihnen, repetitive Aufgaben zu automatisieren und große Datenmengen für nachhaltige Geschäftsstrategien zu analysieren, was ihre Marktpräsenz stärkt.
Der 28. März 2025 wurde in den USA als „National AI Literacy Day“ begangen mit Aktionen, die dazu beitragen sollen, das Verständnis von KI in der Bevölkerung zu steigern. (https://www.ailiteracyday.org/) Zudem sind seit dem 2. Februar 2025 im Rahmen der Umsetzung des EU AI Acts neue Schulungsanforderungen für Unternehmen in der EU bzgl. KI in Kraft. (EPRS | European Parliamentary Research Service 2023; Future of Life Institute (2025); EU 2024) Die KI –Verordnung der EU definiert „AI Literacy“ bzw. „KI-Kompetenz“ als die „Fähigkeiten, die Kenntnisse und das Verständnis, die es Anbietern, Betreibern und Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Rechte und Pflichten im Rahmen dieser Verordnung ermöglichen, KI-Systeme sachkundig einzusetzen sowie sich der Chancen und Risiken von KI und möglicher Schäden, die sie verursachen kann, bewusst zu werden.“ (EU 2024, S. 49). Dies betrifft sowohl auf KI-Technologieanbieter bzw. Entwickler als auch auf Mitarbeitende, die KI direkt einsetzen sollen sowie auch auf Führungskräfte und externe Dienstleister.
Der AI Act sieht außerdem Maßnahmen für die Steigerung der „AI Literacy“ in der Gesellschaft der Mitgliedsstaaten der EU im Allgemeinen vor. Der EU AI Act sieht hierzu aber keine verbindlichen Maßnahmen vor, diese gelten nur für Entwickler und einsetzende Unternehmen von KI-Lösungen. (Hoffmeister 2024)
Um eine KI-Kompetenz bei KMU zu erreichen, ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der technische, organisatorische und kulturelle Aspekte berücksichtigt. Ein strukturiertes Vorgehen umfasst Schulungen zu Datenmanagement, den Ausbau von Netzwerken, die Umsetzung konkreter KI-Projekte und das Testen von Technologien in einem sicheren Umfeld, z.B. im Rahmen von Experimentierräumen oder Pilotprojekten.
Die Entwicklung von Datenkompetenz muss auf den Ebenen „Person“, „Organisation“ und „Netzwerk“ erfolgen. Weiterbildungsmaßnahmen sollten die individuellen Kompetenzen der Mitarbeitenden ansprechen. Hierzu kann das Kompetenzmodell “Competence Behavioral Model of AI Literacy” herangezogen werden, um KI-Technologien und deren Nutzung den Mitarbeitenden in KMU im Arbeitsalltag näherzubringen. (Wienrich, Carolus et al. 2022) In diesem Modell werden 17 relevante Kompetenzen wie “KI erkennen”, “Interdisziplinäre Zusammenarbeit” und “KI-Ethik” behandelt und spezifische Qualifizierungsbausteine für KMU-Mitarbeitende angeboten. (Long & Magerko 2020; Wienrich & Carolus 2021) In diesem Modell werden drei Kompetenzfelder im Umgang mit KI unterschieden: Dazu gehört eine offene Haltung ggü. KI oder auch ein „KI-Mindset“ („AI Mental State“), z.B. durch die Förderung einer offenen Unternehmenskultur, die Motivation für KI –Nutzung und die Förderung der Selbstwirksamkeit der KI-Nutzenden. Zudem dann das Kompetenzfeld KI-Verständnis, das u.a. Informationskompetenz und psychologische sowie ingenieurswissenschaftliche Kompetenzen umfasst. Das dritte Kompetenzfeld „KI-Verhalten“ fokussiert u.a. auf Kompetenzen für die Anwendung, Implementierung und Weiterentwicklung von KI-Technologien. Ein ähnliches Set aus 12 Kompetenzen für AI Literacy findet sich auch bei Annapureddy et al. (2024) mit Fokus auf Kompetenzen für den Umgang und die Entwicklung von Generativen KI-Systemen.
Chandra et al. (2024) definieren AI Literacy bspw. als die drei folgenden Kompetenzbereiche:
- KI generierte Texte lesen und erkennen können
- KI-Tools einsetzen, um Texte zu generieren
- Kommunikation, Co-Kreation und Zusammenarbeit mit KI-Systemen
- KI-Systeme kritisch unter ethischen, sozialen und psychologischen Aspekten bewerten können.
Eine interdisziplinäre Vermittlung von AI- und Data Science Literacy kann in KMU vielfältige Ansätze zur KI-Entwicklung und -Nutzung fördern. AI Literacy ist die Grundlage für eine erfolgreiche, menschzentrierte KI-Gestaltung und sollte sowohl formelle Lernsettings als auch praxisnahe Lernformen im Arbeitsprozess umfassen, um relevante KI-Kompetenzen zu vermitteln. (Peters & Burmeister 2023)
Verwendete Quellen:
Annapureddy, R.; Fornaroli, A.; Gatica-Perez, D. (2024): Generative AI Literarcy: Twelve defining Competencies. In: Digital Government: Research and Practice, 1(1), 1–23.
Chandra, P.; Dubey, A.; Sharma, S.K.; Karsoliya, S. (2024): A novel Conceptualization of AI Literacy and Empowering Employee Experience at Digital Workplace Using Generative AI and Augmented Analytics: A Survey In: J. Electrical Systems 20-2 (2024), pp. 2582-2603.
EPRS | European Parliamentary Research Service (2023): Artificial intelligence act –Overview. EU Legislation in progress. Second edition. European Union 2023.
Europäische Union (2024): VeRORDNUNG (EU) 2024/1689 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES : Verordnugn über künstliche Intelligenz , 13.06.2024 Amtsblatt der Europäischen Union. ELI: https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2024/1689/oj
Future of Life Institute (2025): https://artificialintelligenceact.eu/
Hoffmeister, K: (2024): The Dawn of regulated AI: Analyzing the European AI Act and Its Global Impact. DOI: https://doi.org/10.5771/1435-439X-2024-2-182.
Long & Magerko (2020): What is AI literacy? Competencies and design considerations. In Proceedings of the 2020 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (pp. 1-16)
Peters, Burmeister, Apt; iit; BMAS (2023): Arbeiten mit Künstlicher Intelligenz – fünf Kurzszenarien zur „Mensch-Technik-Interaktion 2030“, Berlin.
Wienrich, Carolus et al.(2022): AI Literacy: Kompetenzdimensionen und Einflussfaktoren im Kontext von Arbeit
Wienrich & Carolus 2021 Conversational Agent Literacy Scale: Development of an instrument to measure knowledge about conversational agents on the example of Smart Speakers. Frontiers in Computer Science, 70
World Economic Forum (2025): Future of Jobs Report 2025 – Insight Report. January 2025. Geneva, CH.
Abbildung: KI Literacy Kompetenzmodell; Eigene Darstellung nach Wienrich, Carolus et al. (2022) und Chandra et al 2024