KI in der Pflege – langfristig weniger Belastung für Pflegende
Durch den demografischen Wandel, d.h. niedrige Geburtenraten und steigende Lebenserwartung, nimmt die Anzahl und der Anteil älterer Menschen in Deutschland zu. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren mit dem Erreichen der Rentenphase der sog. Babyboomer noch deutlich beschleunigen. Für die Pflege bedeutet dies eine doppelte Herausforderung: Mehr zu pflegende Menschen mit eher weniger Personal. Zuwanderung kann hier helfen, jedoch nur, wenn Pflegeberufe attraktiv genug sind und ausreichend Geld bereitsteht. Die Künstliche Intelligenz verspricht hier gleich drei wesentliche Verbesserungen:
- Durch KI soll der Pflegeberuf interessanter und weniger belastend sein.
- KI soll Zeit sparen helfen, so dass Pflegekräfte mehr Zeit zur eigentlichen Pflege haben (und weniger mit Bürokratie verlieren) und gleichzeitig mehr Personen betreuen können.
- Die Gepflegten sollen ebenfalls profitieren und bspw. dank KI-Sensorik eine höhere Pflegequalität erhalten.
Der Alltag in der Pflege ist in Deutschland häufig von Zeitdruck und Stress geprägt. Die Stellenschlüssel sind knapp, Stellen häufig unbesetzt, Fehlzeiten hoch und damit auch die Belastung. Hinzu kommen viele ineffiziente Abläufe, bspw. wenn Pflegefachkräfte ewig in der Warteschleife hängen, weil sie eine Rückfrage zur Medikation an den Arzt oder die Ärztin haben, minutengetreu ihre Leistungen dokumentieren müssen oder zahlreiche Routineüberprüfungen von Blutdruck usw. per Hand erledigen müssen.
Mittlerweile gibt es zahlreiche KI-gestützte Assistenzsysteme, die in der Pflege zum Einsatz kommen, wobei der Aspekt KI unterschiedlich bedeutsam ist. Eine u.a. auf den Seiten des Zukunftszentrums Pulsnetz zugängliche Technologie-Datenbank enthält aktuell über 1.100 digitale Assistenzprodukte für die Pflege, die in über 50 verschiedene Anwendungskategorien unterteilt sind.[1] Viele Technologien funktionieren und bringen tatsächlich Vorteile: Exoskelette können Belastungen beim Heben vermeiden, Vitalsensoren machen Routinemessungen überflüssig, Telemedizin-Anwendungen reduzieren Vorbereitungs- und Begleitzeiten für Routinearztbesuche, Sturzmelde-Sensoren erhöhen die Sicherheit und machen viele Kontrollgänge unnötig und die per Spracheingabe diktierte oder zukünftig sogar automatisch mit KI ermittelte Pflegedokumentation spart jede Menge Bürozeit. Hinzu kommen viele KI-Lösungen im Organisationsalltag, von der KI-Einsatz- oder Routenplanung (bei der ambulanten Pflege) bis zu intelligenten E-Learning-Plattformen für die Fachkraftfortbildung. Die häufig als spektakuläres Beispiel vorgestellten Roboter, die per Sprache interagieren oder gar Pflegehandlungen durchführen sollen, sind in Deutschland noch sehr seltene Ausnahme.
Es gibt nach wie vor hohe Hürden, die dazu führen, dass bislang nur wenige Einrichtungen KI in der Breite einsetzen und wirklich die Vorteile spüren. Den meisten fehlt das Geld für die nötigen Investitionen in teure intelligente Betten und Sensoren in allen Zimmern. Fehlende Standardschnittstellen erschweren noch die Integration in die verschiedenen Pflegedokumentationssysteme. Datenschutz- und Datensicherheitsfragen verursachen hohen Aufwand. Die Technologien erfordern neues IT-Fachpersonal, IT-Strukturen und Infrastruktur, die erst aufgebaut werden müssen. Und häufig fehlt im Alltag einfach die Zeit, sich mit der hochdynamischen Entwicklung zu beschäftigen und passende technische Lösungen zu finden. Viele Unterstützungsangebote, u.a. der Zukunftszentren KI wie in Hessen ZUKIPRO, stehen den Einrichtungen zur Verfügung, von der begleiteten Digitalstrategie-Entwicklung über vielfältige Qualifizierungsformate, sensibilisierende Angebote wie Planspiele und ein Escape Room bis hin zur direkten Beratung vor Ort.
Hochinnovativen kleineren Einrichtungen gelingt es bereits jetzt, den Pflegeberuf u.a. durch Technologieeinsatz attraktiver zu machen und dadurch von höheren Bewerberzahlen auf Stellenanzeigen zu profitieren.[2] Und größere Verbände arbeiten an Roadmaps, Strategien und Impulspapieren, um nach und nach KI-Technologien einzuführen.[3] Längerfristig könnte es gelingen, alle drei oben genannten durch KI erreichbare Verbesserungen Wirklichkeit werden zu lassen. Ob das eher 5 oder 15 Jahre dauert, hängt von gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ab. Die Hoffnung allerdings, dass KI-gestützte Technologie den Pflegenotstand vollends lösen können, wird sich nicht erfüllen. Technologien können unterstützen, aber gerade in der Pflege den Menschen nicht ersetzen. Bei steigenden Zahlen zu pflegender Menschen wird es auch mit mehr Technologieneinsatz mehr Pflegekräfte brauchen, um das Wichtigste zu gewährleisten: Die individuelle Fürsorge von Mensch zu Mensch. Roboter können das nicht leisten und werden zudem noch lange viel zu teuer sein.
Quellen:
[1] Vgl. https://mutig.pulsnetz.de/wissen/technologie-datenbank/
[2] Vgl. z.B. https://www.gesundheit-digital-forum.de/de/themen/allgemein/pflegeeinrichtung-im-wandel-digitale-innovationen (23.09.2025)
[3] Vgl. Remmert, Anja et al. (2025): “Digitalisierung in der Pflege aus diakonischer Sicht. Ein Impulspapier der Arbeitsgruppe Digitalisierung in der Pflege und Altenhilfe.” Diakonie Deutschland. Online verfügbar unter: https://www.diakonie.de/informieren/blog/remmert/2025/digitalisierung-pflege-diakonie (23.09.2025)
Autor: Dr. Frank Eierdanz (Institut für Technologie und Arbeit e.V.)


